Das Knie vom Scheckgetier

Sabine P. und Maren Diehl • 25. Juni 2025
Therapieansatz

Heute gibt es eine mutmachende Geschichte zum Umgang mit Befunden. In meinen Kursen habe ich zahlreiche Pferde mit beeindruckender Krankenakte, von denen viele ihre “letzte Chance” bekommen sollen, und es ist oft wirklich nicht einfach, sich durch Befunde, Pathologien und Therapievorschläge zu einer Entscheidung über die klinische Relevanz und die weitere Vorgehensweise durchzuringen. Da ist es auch schwierig, Empfehlungen zu geben, denn die Entscheidungen selbst kann ich niemandem abnehmen. Deshalb sehe ich meine Aufgabe darin, eine möglichst gute Entscheidungsgrundlage zu vermitteln.

Für das Training bietet die Freiwilligkeit des Pferdes eine gute Richtschnur, für alles andere muss man ein bisschen überlegen, ob es weiterhilft, wenn man mehr weiß. Vieles erledigt sich von selbst wieder, wenn das Bewegungsangebot stimmt, und ich selbst versuche immer, mit dem Einfachsten zu beginnen und zu beobachten: Wird es besser, wird es schlimmer, bleibt es gleich? Klinisch relevante Veränderungen verlieren mit neuen Bewegungsmustern oft rapide an Bedeutung, obwohl sie nicht “weg” sind. Palpierte Befunde können sich zeitnah in Wohlgefallen auflösen, wenn die Ursache wegfällt. Natürlich ist eine gute Diagnostik bei neu auftretenden Lahmheiten und anderen Symptomen sehr wichtig und hilfreich. Bei Baustellenpferden führen Altbefunde und Kompensationsstrukturen allerdings oft zu Übertherapie und Unterbewegung. Es braucht dann etwas Beherztheit, um den besten gemeinsamen Weg zu finden.

Hier ist jetzt Sabines und Anjelies Geschichte über eine Entscheidung, die man ebenso legitim auch anders hätte treffen können, mit kleinen Ergänzungen von mir:

“Hallo Maren,
heute möchte ich davon berichten, warum ich denke, dass man sich wirklich nicht auf die Suche nach Befunden machen muss, solange ein Problem nicht offensichtlich ist.
Als mein Weg mit Anjelie im Herbst letzten Jahres begann, durfte ich durch dich - unter anderem - einiges über die Hufe meines Pferdes lernen. (Anjelies Hufe waren sehr steil und an den Zehen fehlte ein ordentliches Stück. Die Sohle war von Eckstrebenmaterial überwuchert, und die Umstellung war ein längerer Prozess, in dessen Verlauf auch Hufschuhe zum Schutz der Zehen vor weiterem Abrieb nötig waren. M)  Die Umstellung der Hufe führte leider nicht nur zu einer erkennbar besseren Form und Funktion, sondern auch (aufgrund vorheriger Fehlstellungen) zu Hufgeschwüren in den Hinterhufen, die wiederum zu Lahmheiten und in der Folge auch zu Kompensationsmustern führten.

Nachdem durch die alljährliche Zahnkontrolle sichergestellt war, dass dort nicht noch weitere Probleme schlummerten, ließ ich Anjelie von meiner Chiropraktikerin durchchecken, da an Reiten noch nicht zu denken war und auch das Ziehen vom Boden noch nicht wieder wie gewohnt funktionierte. Bei dieser Behandlung kamen einige Befunde zu Tage, die sicherlich zum Großteil auf die Hufgeschwüre und die Behandlung der Zähne zurück zu führen waren, aber meiner Chiropraktikerin fielen insbesondere Anjelies Knie, vor allem rechts, so negativ auf, dass sie mir eine eingehende Diagnostik ans Herz legte. Weiterhin sollten wir dann auf jeden Fall auch Stangentraining zum Muskelaufbau mit in unsere Arbeit aufnehmen.

Dank deiner Kurse wusste ich aber zum Glück, dass ein Befund nicht zwingend mit einer Pathologie gleichzusetzen ist. So entschied ich mich dagegen, das Geld für eine umfassende Diagnostik auszugeben. Wenn es wirklich pathologisch werden würde, könnte ich das Geld ja noch immer investieren, dachte ich mir. So machten wir mit dem weiter, was uns am meisten Spaß macht: Ab ins Gelände. Geritten, geführt und mit Fahren vom Boden machten wir die Gegend unsicher, nicht immer in einer perfekten Gebrauchshaltung, aber sicherlich mit guten Ansätzen. Dabei war einer meiner Gamechanger übrigens das regelmäßige Umsitzen im Trab, das bei uns beiden immer besser wurde.

Es zeigte sich dann auch schnell, dass Anjelies drehender Hufschuh vorne rechts aufhörte zu drehen. Beim Fahren von Boden konnte ich schön beobachten, was ihre Knie so trieben, und nach etwa zwei Monaten normalisierten sich ihre Bewegungen zunehmend. Nach drei Monaten fußte  Anjelie in allen Lebenslagen wieder gerade und in der Spur.

Das  angeordnete Stangentraining machten wir Aufgrund von Anjelies Unlust, in der Bahn zu arbeiten (und meiner Unlust zum Stangenschleppen), vielleicht zweimal in drei Monaten.

Dreieinhalb Monate nach ihrem ersten Besuch kam meine Chiropraktikerin zu einer Kontrolluntersuchung. Sie lobte nicht nur die insgesamte (muskuläre) Entwicklung meines Ponys, nein sie bestätigte mir auch noch, dass die Knie nun absolut unauffällig seien, als wäre nie irgendetwas gewesen. Das freute mich natürlich sehr.

Dank dem Wissen, das ich mir in den letzten Monaten durch deine Kurse angeeignet hatte, habe ich nicht nur viel Geld für eine Diagnostik gespart, sondern auch zahlreiche wunderschöne Stunden mit Anjelie in der Natur verbracht.

Viele Grüße
Sabine & Anjelie
Und das ist ja nunmal das Wichtigste: möglichst viel Zeit gemeinsam mit etwas zu verbringen, das beiden Spaß macht. Die gemeinsamen Aktivitäten lassen sich sehr gut so gestalten, dass der Alltag heilende Wirkung hat. In den wenigsten Fällen muss man eine Therapie vollständig absolvieren, um mit dem wirklichen Leben beginnen zu können. Es gibt Dinge, die gut tun und Dinge, die schaden, und wenn man vom einen mehr macht und das andere weglässt, ist vieles möglich. Je mehr Leben stattfindet, um so weniger läuft man Gefahr, das Pferd auf seine Defizite zu reduzieren - es bekommt die Chance, seine Stärken zu zeigen. 

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